30.12.24

„Schatz, ich weiß mich zu beschäftigen!“

Am 25. Dezember 2024 um 19.18 Uhr ging eine beeindruckende Karriere zu Ende. Nach mehr als 7.900 gefahrenen und exakt 1.405 gewonnenen Rennen hat Jörg Hafer nach der Fahrt mit Time of Departure seine Fahrerleinen an den Nagel gehängt. Dem Trabrennsport will der Inhaber eines Versicherungsbüros aus Herten und vierterfolgreichste deutsche Amateur aller Zeiten aber treu bleiben. Wie es ihm nach der Entscheidung geht, worauf er gerne zurückblickt, und was er nun alles vorhat, darüber hat der 65-Jährige mit Melanie Bäumel-Schachtner zwei Tage nach seinem Karriereende ganz entspannt und gut gelaunt am Telefon geplaudert.

Jörg HaferEhemaliger Amateur-Trabrennfahrer
Kategorie: Rennbahn-Talk
Herr Hafer, das war’s – Sie haben am 25. Dezember zum letzten Mal im Sulky gesessen. Ist da jetzt Wehmut dabei – oder sagen Sie: „Jetzt ist es gut!"

Ich sage absolut: „Jetzt ist es gut!“ Das war es jetzt, mehr geht nicht.

Aber bestimmt hätten Sie mit Time of Departure noch gerne gewonnen – wie enttäuscht waren Sie, als der Fehler kam

Na ja, natürlich hätte ich gerne mit einem Sieg aufgehört, aber so schlimm ist es jetzt auch nicht. Ob ich jetzt 1405 Rennen gewonnen habe oder 1406 – das macht den Kohl nicht fett. Das Wichtigste ist, dass ich mit mir selbst absolut im Reinen bin. Ich stehe voll und ganz hinter meiner Entscheidung.

Wie kam es denn da überhaupt zu der Entscheidung, Sie sind ja echt noch topfit, oder

Es gab einige Sachen, die mich enttäuscht haben, auch von Trainern und Besitzern. Und dann kommt dazu, dass ich nach 35 Jahren alles gewonnen habe, was es zu gewinnen gab. Somit konnte ich jetzt abschließen.

Schwingt da ein wenig Bitterkeit mit? Hadern Sie noch mit dem ein oder anderen Aktiven

Nein, jetzt nicht mehr. Jetzt ist alles vergessen.

Wie lange hat es gedauert, bis Sie zu dem Entschluss kamen

Die Entscheidung war reiflich überlegt. Im Oktober begann ich, darüber nachzugrübeln und ich habe dann meiner Frau gesagt: „Jetzt ist Schluss.“ Sie wollte es erst nicht ganz glauben und sagte, ich solle es mir nochmal überlegen, aber mein Entschluss war gefallen.

Da gab’s sicher noch mehr Leute, die Sie überreden wollten zum Weitermachen, stimmt’s

Ich habe tatsächlich viele positive Resonanz bekommen, von Hamburg bis München, von Berlin bis Straubing. Aber ich halte es für besser, wenn man geht und die Leute sagen „Schade, dass er aufhört“ als wenn sie sagen „Wann endlich hört er denn jetzt auf?“ Unter uns, da gäbe es manchen, der das auch beherzigen sollte, und damit meine ich auch einige Profis, bei denen es nicht schlecht wäre, diesen Gedanken zu haben.

Aber auch, wenn fahrerisch jetzt Schluss ist – auf der Rennbahn wird man Sie doch hoffentlich weiterhin sehen

Ja, allein schon aufgrund der beruflichen Nähe werde ich noch nach Gelsenkirchen kommen, so weit rumfahren auf die anderen Bahnen werde ich allerdings nicht mehr wie früher. Mein Bruder ist ja auch noch im Sport tätig und ich werde mich weiterhin informieren. Ich verschwinde jetzt erstmal kurz ein wenig aus der Öffentlichkeit, aber wenn ein wenig Zeit vergangen ist, dann werde ich wieder zur Bahn kommen.

In den vergangenen Tagen wurden Sie viel gefragt zu Ihren schönsten Siegen und Sie sagten, es sei jeder Sieg schön gewesen, ganz besonders aber der in Paris

Ja, in Paris einen Tag vor dem Prix d’Amérique zu gewinnen, war schon ein besonderer Moment. Da war die Bahn voll und es war einfach nur großartig. Aber auch die Fritz-Brandt-Siege mit eigenen Pferden waren toll und die deutsche Amateurmeisterschaft. Es stimmt wirklich: Mir hat jeder Sieg große Freude gemacht. Ich habe auch in Helsinki, Wolvega, Österreich und Treviso gewonnen, das waren schöne Erfolge.

Da sind Sie ja ordentlich rumgekommen in dem Sport

Oh ja – das sag ich Ihnen!

Nicht nur die Statistik beweist es, sondern auch die Experten sind sich einig, dass Sie einer der talentiertesten Amateurfahrer aller Zeiten in Deutschland waren. Was macht einen Amateur zu einem guten Amateur

Ach, wenn man von klein auf damit zu tun hat, dann hat man einfach einen anderen Bezug zu Pferden als ein Quereinsteiger. Ich bin ja quasi im Stall aufgewachsen.

Sie waren aber auch immer der Mann für schwierige Pferde, oder

Oh ja, das habe ich mir aber nicht ausgesucht. Da wurde ich quasi dazu gezwungen.

Wie oft war’s da auch mal brenzlig

Es gab schon zwei, drei Stürze und ich war auch im Krankenhaus. Aber auch, wenn es schmerzhaft ausgegangen ist, habe ich doch immer wieder weitergemacht.

Nun haben wir ja auch 2024 wieder neue Amateurfahrer im Sport begrüßen dürfen. Was würden Sie denen denn raten

Das Wichtigste ist: Sie sollen den Sport mit Freude und Spaß ausüben. Und sie sollen auf ihre Gesundheit achten. Dann kommen irgendwann auch die Siege. Heutzutage ist es aber nicht so leicht, so viele Rennen zu gewinnen. Es gibt ja so viel weniger Renntage und daher auch so viel weniger Amateurfahren. Früher, da war ja im Westen fast jeden Tag Renntag. Auch ein guter Amateur wird nicht mehr 1400 Siege zusammenbringen.

Da schwingt ein wenig Wehmut mit, Sie haben ja die guten Zeiten im Sport voll erlebt

Ja, es ist ganz bitter, da ist ganz viel Wehmut dabei. Es wurde viel falsch gemacht beim Management, ich weiß nicht, ob man das alles nochmal umkehren kann.

Was müsste sich denn ändern

Es müssten viel mehr Leute zur Bahn kommen. Die Rennen müssten attraktiver werden und es müssten genügend Pferde gezüchtet werden. Dazu müssten die Rennpreise nach oben. Das ist durch Frankreich aber immerhin schon besser geworden.

Verfolgen Sie auch Rennen in Frankreich? Oder sind Sie eher Team Schweden

Wenn schon, dann Frankreich. Die Rennen sind schon schön anzusehen, es ist auch interessant aufgrund der Distanzen, gerade über den längeren Weg ist es sehr spannend.

Was machen Sie denn jetzt mit der gewonnenen Zeit? Sie klingen ja nicht so, als würden Sie auch beruflich kürzertreten

Nein, beruflich auf keinen Fall, mein Beruf macht mir immer noch großen Spaß. Der füllt mich auch aus. Ich werde weiterhin mit meiner Frau dreimal in der Woche ins Fitness-Studio gehen, auch, wenn ich es nun zum Rennenfahren nicht mehr brauche, aber ich werde meine Freizeit weiterhin sportlich genießen.

Apropos Frau – hat da eine daheim Angst, Ihnen könnte es langweilig werden

Ich glaube nicht, ich habe zu meiner Frau gesagt: „Schatz, ich weiß mich zu beschäftigen!“ Grundsätzlich möchte ich mehr in den Urlaub fahren und auch übers Wochenende weg, vorher war ja immer alles auf Rennbahn abgestimmt. Das werden wir jetzt genießen. Ja, ich bin mit mir selbst im Reinen – und ist das nicht das Wichtigste?

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